Backcountry Ski in Norwegen: Auf zur Troll-Loipe (Teil 2)

Mit dem Niederländer war es echt spannend am Abend. Nicht nur das er auf Schneeschuhen in Hjerkinn beim Dovrefjell gestartet ist und nebenher Outdoor Guide ist, vier Wochen irgendwo in Süd Norwegen Wandergruppen durch das verschneite Fjell geführt hatte und jetzt Urlaub von der Arbeit braucht. Nein wir haben auch noch Polarlichter bei einem wunderbaren Sternenhimmel sehen dürfen.

Und während wir später bei einem Glas Singlemalt da sitzen, verarzte ich meine Blase am Fuss. Das Mistdingen hat sich doch in der Tat am Rand des Compeed Pflasters gebildet und hat sich wunderbar aufgescheuert. Kein Wunder das es so am zwiebeln ist.

Die Nacht über habe ich nicht wirklich gut geschlafen. Meine Schulter lässt mich nicht wirklich zur Ruhe kommen. Zu sehr schmerzt die Narbe und das Gelenk. Früh am Morgen stehe ich auf, koche mir Kaffee und werfe mir eine Schmerztablette ein. Heisst schon etwas wenn ich mir dieses Mistzeugs einwerfe um die Schulter etwas auszuhalten.

Langsam fängt es an zu dämmern und die Lichtstimmung ist, „Ach du meine Fresse“! Ich stürme mit der Drohne raus und lasse die kleine aufsteigen. Gerade geht die Sonne hinter dem Gopollen auf. Es ist eine wahrlich magische Lichtstimmung.

Irgendwann steht auch der Niederländer neben mir und genießt mit einem Kaffee in der Hand die kalte, klare Luft. Die Nacht hatte um die -15 Grad. Während wir so draussen stehen, unterhalten wir uns über weitere Tourenpläne. Er läuft heute nach Djupslia und weiter zur Pellestova, wo er seine Tour beenden will.

Ich werde hier einen Ruhetag einlegen und die Schulter etwas zur Ruhe kommen lassen. Auch wenn ich erst drei Tage unterwegs bin, merke ich die Anstrengungen und wie wenig fit ich aktuell bin. Dementsprechend verdrücke ich mich auf die Couch und genieße die Ruhe auf der Hütte, als der Niederländer um kurz nach acht verschwindet. Aufstehen tue ich nur um mir was zu essen zu machen, oder für ein Getränk.

Am Nachmittag geht die Tür auf und der alte von der Djupslia steht in der Tür. Ohne mich zu beachten, rennt er mit seinen Skistiefeln quer durch die Hütte, schaut in die Schlafräume hinein, rennt in die Küche und durchwühlt die Schränke. Dann rennt er wieder in den Vorraum und rennt in den Vorratsraum, aus dem er mit einer Ladung Lebensmittel wieder heraus kommt. Ich stehe auf und schließe die Außentür. Kaum sitze ich, rennt er wieder raus und wieder steht die Tür auf. Ich gehe die Türe wieder schließen. „wo ist er hin?“, frage ich mich. Dann kommt er aus dem Brennholzlager gegenüber und rennt zur Sikringsbua hinüber, schließt die Tür auf und rennt hinein. Nach ein paar Minuten kommt er wieder raus und nimmt die vierte der Hütten unter die Lupe. Der Kerl macht mich jetzt schon wieder kirre.

Dann steht er wieder in der Haupthütte und fragt auf Englisch ob die Sikringsbua keinen Proviantraum hat. Ich schüttel nur den Kopf. Dann fängt er an am Esstisch seinen Rucksack zu leeren und fängt an zu kochen. Wie er fertig ist, sieht die Küche aus wie Dresden 1945. Dann setzt er sich mir gegenüber auf die Couch und fängt an sein essen zu schlürfen. Sorry, aber das Geschlürft und Gerülpse geht gar nicht. Ich stehe mit einem „Meine Fresse!“ auf und gehe nach draussen. Das Verhalten von dem Mann treibt mich in den Wahnsinn.

Am frühen Abend kommen drei Norweger herein und grüßen freundlich. Der alte reagiert mal wieder nicht und die Norweger fragen ob mit ihm alles ok wäre. Ich nicke und sage nur knapp das er etwas seltsam ist. Das merken die Norweger nach einiger Zeit dann auch.

Wie die Norweger sich ins Hüttenbuch eintragen, fragen sie wer Thomas ist. Ich winke ihnen zu. „Und er?“ will einer wissen und zeigt auf den alten. Ich hab keine Ahnung wie er heißt und erzähle ihnen die Aktion von der Djupslia und von heute Nachmittag. Ich hatte ja schon gemerkt das er sich nicht eingetragen hatte und auf der Djupslia stand von ihm auch kein Eintrag. Die Norweger hatten sich einen Schlafraum vorgemacht und da hat sich der alte drin breit gemacht. Sie versuchen ihm zu erklären, dass sie in dem Schlafraum drei Kojen gebucht haben. Er tut so als ob er nicht versteht und fragt immer wieder gebrochen nach. Dabei rennt er wie schon den ganzen Tag nur durch die Gegend, oder nach draussen und lässt dabei die Türen offen stehen. Dann wird es den Norwegern langsam zu bunt und der alte bekommt die erste Ansage, aber wie schon auf der Djupslia antwortet er nur auf niederländisch. Ich zucke nur mit den Schultern.

Einer der Norweger legt ihm das Hüttenprotokoll hin und ein Bezahlformular und fordert ihn auf sich einzutragen und das die Lebensmittel hier nicht umsonst sind. Die Ansage hat sich gewaschen und auf einmal spricht er wieder englisch. Kurz und knapp sagt er das er sich morgen früh einträgt. Der Norweger sagt jetzt und der alte gibt ganz knapp zu verstehen das er das immer am morgen macht bevor er geht. Die drei fragen ob ich gesehen hätte das wer in der Sikringsbu wäre. Nicht das ich das mitbekommen hätte. Dann gehen sie nachschauen und verschwinden. Ich glaub die Jungs sind absolut genervt.

Mir wird es aber mittlerweile auch echt zu bunt und so packe ich meine Sachen zusammen und sehe zu das ich nächsten morgen zeitig weg komme und gehe in meinen Schlafraum.

Aber um fünf am morgen geht das selbe Spiel wie auf der Djupslia vor sich. Wieder rennt er mit den Skistiefeln durch die Hütte und um kurz vor acht dann verschwunden. Aber wie schon vorher, rennt er wieder nonstop in die Vorratskammer.

Eine halbe Stunde später bin ich auch startklar und ziehe meine Pulka durch die Hüttenansammlung zur Loipe. Bei der Sikringsbua steht einer der Norweger vom Vorabend., der mir eine gute Reise wünscht. An der Loipe angekommen, suche ich den ungespurten Einstieg zur Jammerdalsbu. Den finde ich 400 Meter hinter der Piste wo ich zwei Tage zuvor hergekommen bin. Hier an der Loipe geht rechts eine markierte, aber nicht gespurte Strecke ab. Die bin ich auch schon 2020 mit Vanja zusammen gelaufen.

Damals sind wir von der Vetåbua zur Jammerdalsbu bei Sturm und Whiteout gelaufen. Vanja hatte irgendwann Gas gegeben und zog davon. Ich zockelte in dieser grauen Suppe vor mich hin und wusste nicht wo oben und unten ist. Stellenweise hatte ich das Gefühl ich würde an einer Abbruchkante entlang laufen.

Heute ist das Wetter super. Es ist windstill und immer wieder bricht die Sonne durch die Wolken. Also ein perfekter Lauftag. Wenn es nicht so warm wäre. Ein Problem mit dem ich die letzten Tage schon konfrontiert werde. Ständig bewege ich mich an der Null Grad Marke oder darüber.

Vom Einstieg der Strecke bis zur nächsten Hüttenansammlung bei Saubua, bewege ich mich durch mehr oder weniger ebenes Gelände zwischendurch einmal unterbrochen durch einen Hügel. Die fünfeinhalb Kilometer zur Hütte sind schnell runtergespult und so stehe ich schon bald an den Hütten und mache eine wohlverdiente Pause. Kaum sitze ich da und genieße meinen Tee und meine getrockneten Mangos, kommt auch schon der erste Langläufer aus Richtung Jammerdalsbu. Wir kommen sofort ins Gespräch. So schnell wie er eingelaufen ist, ist er dann auch wieder verschwunden. Ich genieße noch meine Tasse Tee und mache mich dann auch wieder langsam auf den Weg.

Von der Saubua geht es nun langsam aber stetig bergan zum Dokka, einem Einschnitt zwischen Veslefjellet, Svælhøgda und Øverlihøgda. Ich bin keine zwei Kilometer unterwegs, als ich auf ein deutsches Pärchen treffe, die heute morgen auch von der Jammerdalsbu gestartet sind. Wieder wird sich kurz unterhalten und über die Routen ausgetauscht. Dann gehts wieder weiter.

Dann folgt der Anstieg zum Øverlihøgda. Die 120 Höhenmeter ziehen sich wie Kaugummi. Immer wieder komme ich ins rutschen, da die Ski mit der schweren Pulka im schlepp keinen halt bekommen. Aber irgendwann hab ich es dann endlich geschafft und ich bin oben angekommen und ich habe eine großartige Rundumsicht auf das umliegende Gelände. Beim letzten mal hatte ich ja null Sicht und heute kann ich von hier gefühlt das komplette Ringebufjellet überblicken. Es ist einfach fantastisch!

Den Kvisten folge ich nun über den Buckel des Berges und dann kommt der lange Abstieg hinunter in den Taleinschnitt zwischen Øverlihøgda und Jammerdalshøgda. Vor dem Abstieg graute es mir im Vorfeld ein wenig, da ich mich bei der letzten Tour hier ständig auf die Nase gelegt hatte.

Doch dieses mal gleite ich schon fast gemächlich den Berg hinunter und bin ganz schnell an der kleinen Hütte im Taleinschnitt angekommen, mache ich eine wohlverdiente Pause. Erst heute fällt mir auch auf, das die kleine Hütte nicht abgeschlossen ist und eine offene Hütte des Roten Kreuzes ist. Ich kann nicht anders als einen Blick reinzuwerfen. Im Vorraum ist ein kleines Brennholzlager und im Hauptraum gibt es einen Ofen, zwei Pritschen mit einem Tisch. Alles was man braucht um einen Sturm hier oben auszusitzen. Draussen genieße ich auf meiner Pulka sitzend die Sonne und das schöne Wetter mit einem Tee und Schokolade. Aber es wird dann irgendwann Zeit weiter zu gehen.

Es folgt der lange Aufstieg zur Jammerdalsbu. Erinnerungen kommen hoch, ich hatte hier im Whiteout das Gefühl an einer Abbruchkante entlang zu laufen, während ich mich von einer Kviste zur nächsten gehangelt hatte. Der Anstieg ist zwar immer noch so grauenhaft wie damals und kostet Kraft ohne Ende, aber dafür ist die Aussicht sehr viel schöner und nirgends kommt auch nur ansatzweise eine Abbruchkante in Sicht. Das Gelände fällt mir Gegenteil nach links hin sanft in Richtung Dokka ab und man hat von hier eine Fernsicht hinüber zum Nysæterkampen und weiter bis zum Gudbrandsdalen. Ich muss selbst über mich grinsen. Da sieht man mal wie einen die Sinne doch täuschen können.

Die hälfte der Strecke ist so gut wie geschafft und es kommt noch ein etwas nerviger und steiler Anstieg. Dann geht es über die Kuppe zwischen Jammerdalshøgda und Langtjønnshøgda. Am Scheitelpunkt der Kuppe angekommen, kann ich in der Ferne auch die drei Hütten von Jammerdalsbu erkennen. Ab jetzt geht es langsam aber stetig bergab zu den drei Hütten. Ich bleibe immer wieder stehen, genieße diese Aussicht und mache Fotos. Bei strahlend blauen Himmel und absolut klarer Sicht stehe ich hier oben und kann diese absolut grandiose Fernsicht auf die Landschaft genießen. Ich bin absolut happy.

Jammerdalsbu in Sicht

Dann komme ich an der Hütte an. Draussen stehen einige Ski und drei Pulken. Ich packe draussen meine wichtigsten Sachen aus und gehe rein. Drei junge Belgier und ein norwegisches Pärchen sind bereits hier und halten Ruhetag. Ich erfahre von den Norwegern, dass gestern Abend die Hütte ausgebucht war. Da kommt mir auch gleich in den Sinn einmal die Buchung der Hütte zu kontrollieren und gegebenenfalls ein Bett zu reservieren. Und siehe da, im Zimmer der drei Belgier ist noch eine Koje frei, der Rest ist schon reserviert. Schwein gehabt würde ich sagen.

Das Buchungssystem auf den Hütten hatte der DNT während der Corona-Krise eingeführt, damit die Hütten nicht überlastet und sich zu viele Wanderer gleichzeitig auf den Hütten sind. So der offizielle Part. Wahrscheinlich hätte der DNT dieses Buchungssystem mit der Zeit eh eingeführt, da es immer wieder dazu kommt, dass Wanderer auf den Hütten die Zeche prellen und spät Abends einlaufen, sich vielleicht noch im Proviantraum bedienen und früh morgens verschwunden sind. Damit geht dem Wanderverein dann mal eben so im Minimum 35 Euro pro Nase nur für die Übernachtung durch die Lappen. Der Schwedische Wanderverein setzt schon seit Jahren Hüttenwarte auf seinen Hütten ein, die dann während der Saison immer auf den Hütten anwesend sind. Ein System, das ich persönlich auf meiner NPL Reise 2018 als störend empfunden hatte. Da kommt man ausgepowert an einer Hütte an, steht noch nicht ganz an der Tür und der Stugvart fragt schon woher, wohin usw. Klar komme ich auch gerne auf norwegischen Hütten mit dem Hüttenwart ins Gespräch und es haben sich auch schon der ein oder andere nette Abend dadurch entwickelt. Aber ich empfinde es auch als sehr angenehm, so eine Hütte mal für mich ganz allein zu haben. Ich lasse mich da einfach überraschen wohin uns die Reise an diesem Abend führen wird.

Während ich gerade am Tisch sitze und einen Kaffee trinke, kommt eines der belgischen Mädels ganz aufgeregt herein und erzählt etwas von Regenbogenwolken. Es dauert einen kleinen Moment bis es bei mir Klick! macht. Sie meint glaube ich Perlmuttwolken. Ich schnappe mir das Smartphone und die Kamera und gehe vor die Tür und jau, es sind Perlmuttwolken. Ein Phänomen das ich schon ganz oft in den Sozialen Medien gesehen habe, aber noch nie live.

Das Schauspiel lasse ich ein wenig auf mich wirken. Noch mehr als die Wolken aber faszieniert mich gerade generell die Lichtstimmung. Schnell gehe ich rein und hole die Drohne heraus um sie aufsteigen zu lassen.

Am Abend kommen zwei deutsche Frauen aus der Nebenhütte rüber. Der Abend mit den beiden wird echt interessant. Wir quatschen über dies und jenes, über Reisen usw. Aber irgendwann wird es Zeit ins Bett zu gehen. Die Strecke hier hoch zur Jammerdalsbu hat mich doch ziemlich geschlaucht.

Die Nacht über bekomme ich irgendwie nicht richtig ein Auge zu. Die Matratze ist oll und durchgelegen und daher weiß ich nicht so recht wie ich liegen soll und die Schulter gibt gerade ihren Rest dazu. So sitze ich schon um kurz vor sechs in der Stube der Hütte und beobachte wie es langsam anfängt zu dämmern. Irgendwann kommen die ersten Wanderer aus ihren Zimmern und freuen sich über die kuschelige Wärme des Ofens und über das bereits gekochte Wasser.

Zum Frühstück kommen auch die beiden deutschen Frauen rüber und wir unterhalten uns über die heutige Wegstrecke. Während wir so quatschen, wird es gegen neun langsam richtig windig draussen und den Schnee treibt es so über den Berg. Als ich gegen zehn vor der Hütte stehe, habe ich echt Probleme bei diesem Sturm die Pulka zu packen und so dauert es ein wenig bis ich dann Startklar bin. Kurz überlege ich ob ich bei dem Wetter den Berg runter will, aber ich denke mir, dass es im Tal in nicht mehr so exponierter Lage besser wird. Also die Pulka angeschnallt und langsam schritt für schritt den Berg hinunter. Es geht immer entlang der Kvisten und der langsam im Schnee verschwindenden Spuren der Ski .Der Wind ist echt heftig und mehr als nur einmal haut mich eine Böe fast von den Skiern.

Irgendwann merke ich, dass ich wohl falsch abgebogen bin. Vor kurzem habe ich die Strasse gequert, die unter einer dicken Schneeschicht liegt und bin wohl weiter den Markierungen gefolgt. Zurück laufe ich nun aber nicht. Vor allem da ich schon die Loipe vor mir im Tal erkennen kann und so beschließe ich die paar hundert Meter querfeldein zu laufen. Es ist schon ein wenig schweißtreibend sich durch den Schnee zu wühlen. Stellenweise versinke ich mit den Ski bis zu den Waden. Aber irgendwann ist es endlich geschafft und ich stehe auf der Loipe. Von hier kann ich nun auch die Markierungen der Route zur Jammerdalsbu hoch sehen. Das schöne ist, dass ich jetzt die Loipe hoch zu der Weggabelung latschen darf. Also los und den Berg wieder hoch.

Ich folge der Loipe um den Vesle und Store Skinalia herum und hinunter zum Flüsschen Hira. Bis auf das Stück hinunter zum Fluss ist die Strecke super zu laufen. Nur davor und dahinter geht es steil hinunter und wieder hinauf. Der Anstieg mit dem Gepäck im Schlepptau bringt mich wieder ordentlich ausser Puste und am Ende des Anstiegs angekommen muss ich erstmal nach Luft ringen. Ich erinnere mich daran wie Vanja und ich 2020 uns hier hochgequält hatten. Damals lag auch noch mehr Schnee und dieser Anstieg aus der Senke war noch anstrengender.

Ab jetzt heißt es auch nur noch einer langen geraden durch die Winterlandschaft folgen. Das anstrengendste daran ist um oder über die Schneeverwehungen auf der Loipe zu laufen. Die Aussicht ist super und in der Ferne meine ich schon mein Tagesziel, die Veslefjellhbua erahnen zu können. Natürlich ist das quatsch. Denn bis es soweit ist, würde es noch gute fünf Kilometer dauern und es sind noch ein paar Hügel im weg.

In einem kleinen Birkenwäldchen mache ich eine ausgedehnte Pause. Es ist gerade so warm, das alles an nichtbenötigter Kleidung in die Pulka wandert. Während ich Pause mache, kommen auch die Kurzfelle der Ski herunter. Die Stollen gerade wie Sau und mit so nem Schneeklumpen unterm Ski machst laufen kein Spass.

Dann gehts weiter zur Kurve am Dørfallet. Der Weg steigt hier bis zum Wasserfall konsequent an und macht dann einen 90 Grad Knick. Hier mache ich nochmal kurz Pause um Kräfte zu sammeln. Dann geht es an den Endspurt zur Veslefjellbua. Es sind nur noch 3,5 km bis zur Hütte und es geht größtenteils bergab.

Dann kommt endlich auch die Hütte in Sicht und die letzten paar hundert Meter schleiche ich hinüber. Die Luft für heute ist komplett raus und meine Schulter schmerzt wieder ordentlich. Ich kürze den Weg über den zugefrorenen See vor der Hütte ab und schleppe mich den Hügel zur Hütte hoch. Die Pulka lasse ich neben der Treppe zur Hütte stehen und gehe erst einmal hinein. Das schloß ist vor der Tür angebracht und ich scheine allein zu sein. Also erst mal rein, den Ofen anheizen und ins Hüttenprotokoll eintragen und dann schauen was die Speisekammer so hergibt.

Ich hab Glück und erwische noch eine Dose Pfirsiche. Mit der setze ich mich draussen auf die Treppe und genieße die Aussicht. In der Ferne kann ich zwei Wanderer erkennen, die sich langsam der Hütte nähern, am Wegweiser stehen bleiben und sich umschauen. Das ist müssen Carola und Anke, die beiden deutschen Frauen von der Jammerdalsbu sein. Ich geh von der Treppe hinunter ins freie, rufe ihnen zu und winke. Irgendwann sehen sie mich und kommen zur Hütte hinüber.

Mit den beiden Frauen mache ich mich in der Linken der beiden Hütten breit. Noch haben wir beide Gebäude, westliche und Östliche Veslefjellbua für uns und so waschen wir nacheinander uns und unsere Wäsche. Zum Abend hin trudeln dann noch ein paar Wanderer ein und es bilden sich ein paar nette Grüppchen.

Am kommenden Tag mache ich wieder Pause. Erstens um meine Schulter zu Ruhe kommen zu lassen und weil sich meine Blase, die ich seit der Djupslia habe, schön entzündet hat. Beides will ein wenig gepflegt werden. Also liege ich auf der Couch rum, höre Hörbuch oder qautsche mit Anke und Carola, die heute auch hier bleiben. Wir beobachten misstrauisch das Wetter, das weit über Null Grad liegt. Eigentlich soll es am kommenden Tag zur Eldåbu für mich gehen, aber bei dem Tauwetter durch das Gelände? Ich bin mir nicht so sicher. Die beiden Frauen auf ihren Schneeschuhen sind sich auch etwas unsicher ob sie weiter gehen sollen.

In der nächsten Nacht ist es ordentlich am stürmen und am schneien. Das ganze bei Plusgraden. Am morgen liegt die Temperatur schon bei plus 3 Grad und geht weiter hoch. Ich entschließe mich zu einem weiteren Ruhetag. Meine Blase wird es mir auch danken. Die ist nämlich mittlerweile schön offen, wund, nässt und tut schweinisch weh. Herrlich!

Am Mittag checke ich vorausschauend den Hüttenstatus und stelle fest, dass mein Zimmer schon ausgebucht ist und das der beiden Frauen hat auch nur noch eine Koje frei.

So entschließe ich mich die Hütte zu verlassen und in das nahegelegene Spidsbergseter Resort umzuziehen. Ein Zimmer buche ich mir direkt mit Frühstück und Abendbrot bei Booking. Dann verabschiede ich mich von den beiden und laufe langsam los. Zwei Kilometer folge ich der Loipe zum Rondevegen. Das Wasser kommt mir so in den Skispuren entgegen. Also im Grunde fahre ich gerade Wasserski. An der Strasse angekommen, wuchte ich die Pulka über den Scheeeberg am Strassenrand und laufe weiter zum Hotel. Dort angekommen checke ich ein und bringe die Pulka und Ski zum Skistall. Sehr angenehm ist, das mein Zimmer gleich um die Ecke im Kellergeschoss ist. Erstmal genieße ich die Annehmlichkeit einer Dusche und danach werfe ich mich mit einer Tüte Chips aufs Bett zum Netflix gucken. so kann man es gut aushalten.

Am Abend folgt dann das Buffet, das sich echt sehen lassen kann. Total überfressen rolle ich mich am Abend zurück ins Zimmer.

Am Morgen stehe ich früh auf. Das Wetter ist für heute wieder genauso bescheiden angesagt und es soll noch wärmer werden. Plus 10 Grad sind für den darauf folgenden Tag angesagt. Schon wie ich zum Restaurant gehe, tropft es überall an den Fenstern. Ich frühstücke mehr oder weniger fix und mache mich dann auf den Weg ins Zimmer. Ich packe die Sachen zusammen, gehe zum Skistall und hole die Pulka und mache mich auf den Weg.

Ganze 1,6 Kilometer schaffe ich laut meiner Garmin zu laufen. Ich stehe vorm Sattel von Veslbøllia und Svarthammaren. Das Wasser kommt so die Loipe herunter und ich meine Ski finden kaum halt. Ich mache kurz Rast und überlege wie es weiter gehen soll. Die Schulter beißt von dem ruckeln schon wieder ordentlich und auch die Blase gibt gerade ihr bestes hinzu. Lange überlege ich hin und her und entschließe mich dann für den Weg zurück zum Hotel. Die Tour werde ich jetzt hier beenden. So drehe ich um und rutsche und eier ich den Berg wieder hinunter. An der Weggabelung kommen mir die beiden Frauen entgegen. Wir unterhalten uns lange über das Wetter, die Route und über den kauzigen alten Schweizer, der am Abend noch auf der Hütte eingelaufen ist. Ich wusste sofort wen sie meinten und ohne das sie weiter erzählten wusste ich was den Abend für eine Show auf der Hütte abging.

Die beiden wollen es auf jeden Fall noch weiter probieren zur Bjørnhollia zu kommen. So trennen sich unsere Wege. Am Hotel angekommen checke ich wieder ein und buche mir für den kommenden Tag ein Taxi hinunter nach Ringebu zum Bahnhof. Danach folgt ein langes Telefonat mit der Scandinavian Airlines, damit ich den Flug umbuchen kann. Die Umbuchung ist weniger das Problem. Die Pulka ist das Problem. Der junge Mann am Telefon kann sich nichts unter einer Pulka vorstellen. Irgendwann sucht er im Internet und ich höre einen Geistesblitz. Nun ist das Sperrgepäck auch kein Problem mehr. Das Ticket ist umgebucht und mein Flieger geht am nächsten Tag um 16.00 Uhr.

So lasse ich den Tag dann hier im Hotel ausklingen. Wieder mit einem sehr leckeren Abendbuffet und mit einem super Frühstück. Um neun steht morgens mein Reisebus vor der Tür. Reisebus? Ich hab doch nur ein Taxi bestellt. UND JA! Das ist das Taxi. Der gute Mann bringt mich hinunter nach Ringebu für etwas über 25 Euro. Von dort geht es mit dem Zug zum Flughafen und zum Check In.

Dann hebt der Flieger ab und ehe ich mich versehe, stehe ich schon wieder in Düsseldorf und in einer völlig überfüllten S Bahn nach Dortmund. Am Dortmunder Hauptbahnhof wartet schon Nadine auf mich. Die glaube ich doch ein wenig froh ist mich zurück zu haben.

Mein Fazit:

  • Ich hatte trotz des bescheidenen Wetters jede Menge Spass unterwegs. Auch wieder wegen der netten Menschen die ich treffen durfte.
  • Es hat auch Spass gemacht nach fast drei Jahren Krankheit wieder eine lange Tour zu unternehmen. Auch wenn mir meine Schulter gezeigt hat das diese Tour doch zu viel und zu heftig war.
  • Und diese Tour war für mich ein Spiegel mich und meinen gesundheitlichen Zustand noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Und während ich diese beiden Berichte geschrieben habe, liefen seit Ende März noch einmal viele Untersuchungen. Nach mehreren Terminen beim Orthopäden und im Krankenhaus, landete ich dann bei der Ärztin die mich 2023 zuletzt operiert hatte. Die Dame nahm sich sehr viel Zeit, schaute sich alles sehr genau an und sagte dann „da müssen wir nochmal dran“. Es befand sich noch Fadenmaterial in der Schulter um Gewebe zu stabilisieren und fixieren. Das hatte sich eingekapselt und in die Narbe hoch gedrückt. Zum anderen musste der Knoten vom Dogbone Button, der das Eckgelenk stabilisiert, abgeflacht werden. Das passierte dann am 01. Juni. zeitgleich hatte ich noch eine Baustelle am laufen, die gerade wie ich die letzten Zeilen schreibe abgearbeitet wird. Während meiner Tour viel mir ein Knubbel unter dem linken Ohr am Kiefer auf. Meine Hausärztin. überwies mich direkt zum HNO Arzt. Nach einer Ultraschall Untersuchung die erste Diagnose „Adenom der Ohrspeicheldrüse“. Also auf den ersten Blick ein gutartiger Tumor. Der HNO überwies mich dann nochmal zur Radiologie für ein CT. Die waren der Meinung das es eine Zyste ist. Für eine Zweitmeinung hieß es dann noch einmal zum Krankenhaus in die HNO Ambulanz. Auch dort war man der Meinung das es ein Tumor ist und er dringend raus muss. Schon deswegen damit er nicht den Gesichtsnerv schädigt sollte er noch größer werden.

Und so liege ich seit dem 01. Juli schon wieder im Krankenhaus und genieße aus dem Bett heraus das schöne warme Sommerwetter.

Abschließend ist noch zu sagen. Hätte die Skitour nicht stattgefunden, wäre ich vielleicht noch viel länger mit der schmerzenden Schulter herumgelaufen. So ist diese OP nun sein einen Monat her und die ganzen Beschwerden die mich genervt haben sind weg oder stark gelindert. Sogar einen leichten Rucksack habe ich schon wieder halbwegs beschwerdefrei tragen können.

Und parallel sitze ich schon an der Planung für die nächste Tour. Wenn ich alles unter Dach und Fach bekomme, will ich im September zu meiner Trans Euro Trail Reise über Finnland in die Finnmark und durch Schweden und Norwegen zurück starten. Eine Tour auf die ich nun seit 3 Jahren hinarbeite und durch den Unfall oder wie im letzten Jahr durch einen technischen Defekt ausfallen musste.

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