Von Hauggrend nach Geilo – Endlich Fjell unter den Füssen.

Vom Telemark Camping mache ich mich morgens um neun auf den Weg. Den Camping kann man wirklich nur empfehlen. An der Hauptstrasse liegt das Kroa Inn mit einer ordentlichen Speisekarte und guten Küche und 200m die Forststrasse links hinunter an den Skredvatn liegt der Campingplatz. Alles in allem, klein, fein und nicht teuer!

Für mich geht es auf dem Forstweg links um den Skredvatn. Diese spuckt mich nach einigen Kilometern in der Siedlung Åmdals Verk aus und ich laufe eine kleine Nebenstrasse um den Åmlivatn herum in Richtung Dalen.

Hier geht es durch ein grosses offenes Tal mit Nadelbäumen. Es ist absolut ruhig hier und das laufen macht trotz der Anstiege richtig Spass. Am frühen Nachmittag stehe ich dann auch an der Weggabelung nach Dalen. Links führt der Weg in Richtung Setesdal und Valle, rechts gehts in Richtung der Serpentinen nach Dalen.

So langsam spüre ich meine Füsse und ich habe eigentlich nicht mehr all zu grosse Lust zu laufen. Aber es hilft nichts! Ich laufe auf die erste Kehre zu, dann auf die zweite. Dabei bin ich ständig am bremsen, da der Rucksack am schieben ist. Kurz vor der dritten Kehre lässt sich ein Blick hinunter erhaschen und im Tal unter mir sehe ich das Städtchen Dalen und auch den Campingplatz. Irgendwann meldet sich Martin ob ich schon auf dem Camping wäre. „Nein, ich brauche noch eine gute Stunde“ ist meine Antwort. Ich brauche wirklich noch eine Stunde bis ich vor dem Joker in Dalen eintreffe wo Martin auf mich wartet. Wir gehen gemeinsam zum Camping und schlagen dort für die nächsten zwei Tage die Zelte auf. Es ist ein Ruhetag angesagt.

Nach unserem Ruhetag der sehr gut tat, geht es zusammen weiter nach Åmot. Es geht immer der Strasse nach, die langsam aber sicher ansteigt. Es geht von knapp 100m auf fast 500m. Dementsprechend ziehen sich die 23km auch. Ich komme völlig geschlaucht am Spar in Åmot an ubd hole mir dort erstmal eine Tüte Milch. Dann geht es weiter in Richtung des Groven Campings. Martin schicke ich eine Nachricht das ich bereits am Camping bin und dort auf ihn warte. Als Martin dann ankommt mieten wir uns eine von den kleinen Hütten für die Nacht.

Von Åmot breche ich an diesem Morgen alleine auf. Martin will es etwas ruhiger angehen lassen. Die Blasen an seinen Füssen machen ihm sehr zu schaffen. Ich für meinen Teil würde damit wohl keinen Meter mehr gehen.

Ich beschliesse erst einmal die 17km bis Rauland in Angriff zu nehmen. Laut meiner Planungskarte gibt es dort einen Coop und einen Spar. Also gibt es dort Milch und Schokolade. Perfekt! Um kurz nach zehn starte ich in Åmot und stehe nach einem sehr abwechslungsreichen auf und ab der Strasse, wobei ich immer an den Kuppen einen Blick auf die schneebedeckten Berge der Hardangervidda werfen kann, bereits um 14 Uhr in Rauland. Ich überfalle den Coop Prix und mache eine lange Pause. Ich muss ein echt interessantes Bild auf der Bank abgeben, so wie ich da mit dem Rucksack neben mir und den ausgezogenen Schuhen sitze.

Es geht weiter die Strasse entlang die nun auch merklich anzieht. Immer bergauf komme ich nun am Rauland Skisenter vorbei. Überall sind hier Seilbahnen und Ferienhäuser in den Hang gebaut. Der Anblick ist nicht meins, dafür entschädigte der Ausblick auf die Hardangervidda vor mir und hinter mir der Blick zurück auf die Berge um das Setesdalen herum.

Nach 28km erreiche ich das Vierli Vintercamp. Die Füße machen super mit und so beschließe ich noch ein wenig weiter zu laufen. Irgendwo in die Richtung des Møsvatn denke ich mir. Also weiter Vollgas. Die Strasse geht in einem stetigen auf und ab und irgendwann gegen 19 Uhr finde ich einen Platz der sich als Nachtlager eignen würde.Auf der gegenüberliegenden Strassenseite frage ich eine Frau, deren Hund mich zuvor zu Tode erschreckt hatte ob ich hier mein Zelt aufschlagen dürfe. Für sie ist das kein Problem. Die Rechnung habe ich nicht mit dem Ehegatten gemacht. Der kommt eine gute viertel Stunde später und zeigt mir an, das ich hier nicht bleiben kann. Zum Glück habe ich noch nicht großartig ausgepackt. So Schulter ich unter murren wieder meinen Schwergewicher und laufe weiter in Richtung des Møsvatn. Unterhalb des Sees sehe ich ein paar Kiesbänke wo man vielleicht ein Zelt hinstellen könnte, aber der Abstieg ist mir jetzt gerade zu steil und ich bin nicht gewillt die Böschung abzusteigen.So laufe ich Kilometer um Kilometer entlang des Sees und schaue zu wie langsam die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. Zu allem Überfluss schwenkt die Strasse nun nach rechts ab in Sumpfland und die Strasse verwandelt sich in ein einziges Wellblech. Meine Motivation sinkt gerade komplett in den Keller.

Ich komme am Skinnarbu Nasjonalpark Hotel vorbei, wo die Fähre Fjellvåken II auf dem trockenen liegt. Die Saison für das Boot, das die Route Skinnarbu – Mögen DNT bedient, ist vorbei. Meine Stimmung  sinkt mit jeden Kilometer mehr in den Keller und Kury vor der Rjukan Fjellstue gabelt mich ein norwegisches Pärchen in einem runter gekommenen Saab Kombi auf. Die beiden Gestalten laden mich mit einem „ich kann doch so spät hier nicht mehr rum laufen“! in ihr Auto ein. Ich sage den beiden das ich noch bis zur Krokan will um dort zu übernachten. Die beiden schauen mich an und fragen ob ich denn nicht wüsste das die Krokant aktuell renoviert und daher geschlossen sei. Na ganz doll denke ich mir! Der Tag wird immer besser. Die beiden nötigen mich regelrecht einzusteigen und mit ihnen nach Rjukan zu kommen und werde auf der Rückbank gleich freundlich euphorisch von der warmen und feuchten Zunge des Vierbeiners dort hinten begrüsst. Das Pärchen ist echt ziemlich strange. Ich könne gerne bei Ihnen Zuhause übernachten wenn ich wolle, aber nur wenn ich kein Cop bin. Ich Runzel kurz die Stirn! Die beiden haben nämlich nicht ganz so legale Substanzen daheim. Ich muss lachen und lehne das Angebot ab. Mir reicht es wenn die beiden mich am Rjukan Gjestegaard absetzen würden. Dort wartet schon Martin auf nicht. Die beiden sind ein wenig perplex und glauben mir wohl erst so richtig wie ich vor Martin stehe und wir uns im Arm liegen. Meiner Mitfahrgelegenheit danke ich für die Fahrt, dann checke ich für zwei Nächte im Gjestegaard ein. 51km an einem Tag reichen mir und ich benötige dringend eine Pause. Das war definitiv zuviel für mich.

Nach dem Ruhetag machen wir uns auf zur Krossobahn, Nordeuropas ältester Seilbahn. Mit dieser fahren wir zur Bergstation und wandern von dort zur 8km entfernten Helberghytta vom DNT. Die Hütte ist nach Claus Helberg, einem bekannten norwegischen Widerstandskämpfer aus dem zweiten Weltkrieg benannt, der hier auch viele Jahre Hüttenwart war. Am Abend kommt noch eine junge Norwegerin herein. Sie ist mal eben von Rjukan die Serpentinen hoch zur Hütte gelaufen um hier nach der Arbeit den Abend ausklingen zu lassen. Wir sitzen lange zusammen in der Stube und unterhalten uns, aber irgendwann wird es Zeit ins Bett zu verschwinden. Morgen wird wieder ein langer Tag.

Bergstation der Krossobahn mit Gaustatoppen im Hintergrund

Am Tag drauf geht es wie schon seit dem Start bei besten Wetter zur Kalhovd. Der Weg schlängelt sich durch die Berge und es ist alles staubtrocken. Würde ich hier ein Streichholz falle lassen, ich glaube das Fjell würde sofort durch zünden. nach gut zwei Stunden erreiche ich ein größeres Schneefeld unter dem ein Bach durch gurgelt. Der Kombi traue ich nicht und ich versuche mein Glück etwa 200m weiter den Bach hinunter. Dort kann ich den Bach mühelos queren und steige wieder hinauf in Richtung des Schneefeldes. Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht. Ein langer Riss durchzieht das Feld und die Schneebrücke ist vielleicht nur noch 15cm dick. Ich mache eine Pause und warte auf Martin der ein Stück hinter mir war. Ich zeige Ihm an wo er den Wildbach queren soll. Den Rest der Tagesetappe laufen wir zusammen weiter.

Schon von weitem kann ich bald den Staudamm sehen der die letzten 10km bis zur Kalhovd markiert. Ich schaue kurz auf mein Handy und sehe das ich Empfang habe. Also klingel ich kurz daheim durch und gebe ein Lebenszeichen von mir. Nadine ist ein wenig verdutzt, da Sie erst in sechs Tagen mit dem nächsten Anruf gerechnet hatte. Ich laufe weiter hinab zum Damm und stehe vor einem grösseren Fluss den ich queren muss.

Nun geht es hoch zum Damm und über eine Brücke unter der das überschüssige Wasser des Gøystavatnet abgelassen wird. Das Wasser donnert nur unter mir hindurch. Ich verweile etwas und laufe weiter. Dann geht es auf die Schotterstraße der ich nun 10km zur Kalhovd folge. Nach gut zwei Stunden bin ich dort und laufe über einen weiteren Damm hinüber. Auf der Hütte werden wir die Nacht nicht verbringen. Die unbewirtschaftete Hütte schaut absolut ungemütlich und schmuddelig aus. Wer auch immer hier zuletzt die Nacht verbracht hatte war wohl eine absolute Drecksau! Wir bauen lieber draussen die Zelte auf.  

Die ganze Nacht ruft irgendwo aus dem Tal ein Kuckuck. Das Vieh ist unentwegt zu Gange und hält mich die Nacht über wach. Ich bin froh als wir um halb neun zur Mårbu aufbrechen. Hinter der Kalhovd steigt der Weg direkt steil über den Berg an. Es ist zwar echt anstrengend aber der Weg macht tierisch Spaß zu laufen. Ständig bekommt man ein Panorama über den Mår See geboten und ich geniesse den Weg einfach nur. Martin ist ein ganzes Stück hinter mir. Der gute lässt den Anstieg etwas ruhiger angehen.

Einige Kilometer vor der Mårbu gilt es einen grösseren Fluss zu queren. Oberhalb rauscht das Wasser steil hinunter in ein tiefes Becken danach gurgelt es zwischen und über grosse Felsbrocken um dann wieder abschüssig Fahrt aufzunehmen. Ich entscheide mich für die Passage über die Felsblöcke. Rucksack runter, Schuhe aus, Crocs an und Rucksack wieder auf. Dann krabbel ich an Felsblöcken durchs Wasser und über die Brocken. Dann bin ich auf der Felsplatte auf der anderen Seite.

Das Wasser ist so angenehm kühl und ich liege so gut in der Zeit das ich den Rucksack runter lasse, die Badehose anziehe (ja ich habe eine Badehose dabei!) und beschliesse ein Bad zu nehmen. Ich liege über eine Stunde im Wasser und geniesse es einfach nur bei der Hitze im kühlen Nass zu liegen. Dann ziehe ich mich langsam um und mache mich wieder startklar. Dann läuft Martin ein und ich zeige ihm wo er furten kann. Wir legen die letzten Kilometer zur Mårbu gemeinsam zurück.

Gemütlich ist die kleine unbewirtschaftete Hütte eingerichtet und wir verbringen hier die Nacht. Nun geht es in Richtung Rauhelleren. Es soll die bisher härteste Tagesetappe werden. Direkt steigt der Weg auf lange Distanz bergan. Kilometer um Kilometer geht es hinauf. Immer wieder hat man den Blick zurück auf Mårbu, den Mår See und sogar den Gaustatoppen.

Dann kommt noch einmal ein sehr knackiges Stück Aufstieg und der Weg läuft langsam in ein kleines Tal hinab und führt auf eine kleine Schotterstrasse zu an der ich Pause mache. Martin muss ich schon vor einer Ewigkeit abgehängt haben. Ich schultere wieder den Rucksack und folge weiter dem roten T. Ich laufe über eine kleine Kuppe und bleibe stehen. Mir klappt unwillkürlich die Kinnlade hinunter. Ich stehe auf knapp 1400m und schaue hinunter in ein Tal mit einem grossen See zur rechten wo tosend ein Fluss hinein fliesst. Dahinter steigt eine Erhebung an an dessen linken sich ein weiterer See anschließt. Dort seheh ich eine kleine Hütte am Rande. Ich nehme die Kamera und zoome hinein. Es ist in der Tat die Rauhelleren die ich da sehe. Aber was mich wirklich sprachlos macht ist die Bergkette die von rechts nach links den Horizont abschneidet und links in eine große weisse Kuppe mündet. Ist das wirklich der Hardangerjøkul den ich da sehe? Er muss es sein, dieses Bild habe ich noch vom letzten Jahr aus der westlichen Vidda im Kopf. Ich stehe eine ganze Zeit da und sauge das Bild in mich auf. Irgendwann steige ich dann in das Tal ab.

Nach anderthalb Stunden stehe ich dann an der Ganzjahresbrücke die über den Fluss führt der tosend in den See mündet. Die Brücke eine Hängekonstruktion aus Holz ist der Knaller und ich habe richtig Spass beim überqueren.

Ich raste kurz und nehme das letzte Stück zur Hütte in Angriff. Der Weg wird nun richtig sumpfig und steigt in Etappen an. Dann passiert eigentlich was passieren muss. An einer extrem schlammigen Stelle will ich diese etwas links umgehen, da das Gras dort tragbar ausschaut. Mit den Stöcken taste ich mich heran und es schaut gut aus. Ich setze mit dem linken Fuss nach und stecke schlagartig bis zum Knie im Morast. Mit dem rechten Bein verusche ich den sinkvorgang zu stoppen stecke aber sofort bis zu Oberschenkel fest. Leichte Panik kommt in mir auf. Aber offenbar geht es nicht weiter runter. Ich versuche die Beine irgendwie frei zu bekommen, höre aber nur ein saug Geräusch und und spüre wie ein Vakuum mich festhält. Es dauert eine ganze Zeit und eine Menge Kraft bis ich mich befreien kann. Der Schreck sitzt noch immer tief als ich langsam weiter bergauf laufe. Ich habe gerade die Schnauze ziemlich voll und trampel nur noch über der Pfad, den Blick stur nach unten gerichtet. Irgendwann komme ich dann an der zweiten Brücke an, von wo der Weg dann nach Rauhelleren geht.

Um 16.30 bin ich dann an der Hütte. Ich mache ein Feuer im Ofen und hänge meine nassen schlammigen Sachen auf. Irgendwann am späten Abend kommt Martin auch fix und alle an. Ich hatte schon gedacht das er irgendwo das Zelt aufgeschlagen hätte. Am nächsten Tag beschliessen wir zusammen weiter zur Tuva Turisthytte zu gehen.

Es wird ein langer und harter Tag. Mit vielen Aufstiegen, Abstiegen und sehr viel Schlamm. Aber auch mit jede Menge Aussicht. Der Hardangerjøkul kommt immer näher und vor uns liegen die Schneebedeckten Berge des Ustedalen. Wir brauchen zwar fast 12 Stunden für die 24 Kilometer nach Tuva und sind dementsprechend fertig, aber die Aussichten haben für die ganzen Anstrengungen entschädigt.

Nach der Nacht an der Tuva, wo wir unter freiem Himmel biwakiert hatten, machen wir uns auf den Weg die 20km nach Geilo hinter uns zu bringen. Wir laufen ewig der Schotterpiste nach und kommen dann noch mit den Insassen eines SUV ins Gespräch die neben uns halten. Es sind die Besitzer der Tuva. Er deutscher, Sie Norwegerin. Wir unterhalten uns lange und über alles mögliche. Dann geht es weiter hinab ins Skurdalen entlang der Strasse und weiter über die alte Strasse nach Geilo. Am Nachmittag erreichen wir dann auch das Geilo Vandrerhjem wo ich ein oder zwei Ruhetage einlegen will. Die letzten 21 Tage haben ein wenig ihre Spuren hinterlassen und ich will bevor ich ins Jotunheimen starte die Akkus einmal richtig aufladen.

Spät Nachmittags gehen wir noch zur Post und holen mein Paket mit den neuen Hanwags ab. Die alten sind noch nicht ganz hinüber, aber im Fjell ließ das kaum vorhandene Profil doch schon zu wünschen übrig. Nach den Besuch bei der Post geht es hinüber zu Pepper Pizza. Es ist Mittagszeit und wir schlagen uns den Bauch am Pizzabuffet voll.

Ein Gedanke zu “Von Hauggrend nach Geilo – Endlich Fjell unter den Füssen.

  1. Michael

    Geil! Wäre eine nette Strecke zum Nachwandern für die Woche im August. Das Wetter ist ja weiterhin der Hammer. Wenn das kein gutes Omen für die weiteren Kilometer ist. Viel Spass noch und danke für die tollen Berichte. Freue mich auf den nächsten Part.

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