Norge på langs: Mit grossen Schritten durch Finnland nach Alta

Selten war ich so faul an meinen Ruhetagen wie hier in Finnland. Das Lappland Hotel tat richtig gut und das Frühstücksbuffet war wirklich nicht übel und so lag ich die beiden Vormittage im Fresskoma auf dem Bett.

Aber nun heisst es weiter gen Norden. Das erste was einem nun bei den Wanderwegen auffällt ist die Beschilderung. Aus Nordkalottleden wird Kalottireiti und die Wegmarkierungen sind kleine Holzpfosten mit einem orangefarbenen Ende. Das wiederum ist manchmal sehr verblichen.

Mich führt mein Weg nun entlang der Hauptstrasse für zwei Kilometer bis zur Turistinfo. Dann geht es entlang einer Schotterpiste, die gleichzeitig der Wanderweg ist. Es macht Freude hier zu laufen und man blickt die ganze Zeit hinüber zum Saana, dem heiligen Berg der Sami, der wie ein auf dem Kopf liegendes Schiff ausschaut. Am Čáhkáljávri verliere ich dann meinen Wanderweg aus den Augen und folge offenbar einem Trampelpfad entlang des Sees. Dasist aber nicht weiter schlimm, denn der Kalottireitti verläuft nur gut 200m zu meiner rechten. Laufe ich eben etwas querfeldein.

Den Weg finde ich schnell wieder, aber ich kriege auch genauso schnell von dem Weg zuviel. Der Wanderweg ist ein einziges Geröllfeld. Das laufen ist extrem anstrengend und erfordert alle meine Aufmerksamkeit. Auf einen Sturz kann ich getrost verzichten.

Was mir heute auf dem Weg wieder auffällt sind die zum Großteil völlig überladenen Rucksäcke der Finnen. An einem Rucksack baumelt sogar eine Gusseiserne Bratpfanne! Das Monstrum muss locker drei Kilo wiegen. Und der Winter muss schon da sein. Die Wanderer die aus Richtung Halti kommen laufen in dicker Daunenjacke und warmer Mütze auf dem Kopf. Ich hingegen laufe in T-Shirt und bin schon wieder nass geschwitzt.

Nach den ersten 8 km wechsle ich für ein kurzes Stück nach Norwegen. Die Landschaft ist Atemberaubend und das Fjell leuchtet rötlich braun in der Herbstsonne.

Nach 12 km komme ich dann endlich an der ersten finnischen Wandervereinshütte, der Saarijävri an. Mir schmerzen die Füsse von dem Geröll das ist echt unglaublich. Ich lege hier eine lange Pause ein, esse eine Kleinigkeit und koche mir Kaffee.

Im Gegensatz zu den norwegischen oder schwedischen Wanderhütten sind die finnischen Hütten prinzipiell für alle Wanderer kostenfrei. Der offene Bereich ist recht spärlich eingerichtet. Es gibt eine Reihe mit Pritschen, einen Ofen und eine Kochgelegenheit. Das wars auch schon. Die Hütten sind auf das nötigste ausgelegt. Meist haben diese Hütten zwei Eingänge. Wobei die eine Tür in den offenen Bereich führt und die andere mit einem Schlüssel gegen Gebühr geöffnet werden kann. Der kostenpflichtige Bereich ist eigentlich genauso spärlich eingerichtet, hat aber auf den Holzpritschen noch Matratzen und vielleicht noch eine Vase mit Trockenblumen.

Ich komme mit einem deutschen Pärchen ins Gespräch, die beiden sind vor zwei Wochen in Kautokeino gestartet und wollen den Nordkalottleden bis Sulitjelma laufen. Sie versichern mir das der Weg bis zur nächsten Hütte, der Kuonjarjoki, etwas besser und nicht mehr so Geröll lastig sein wird. Dafür geht es über den gesamten Berg vor uns rauf.

Ich mach mich langsam wieder auf den Weg. Die Pause tat wirklich gut, aber die Füsse schmerzen immer noch tierisch. Für einen knappen Kilometer geht der Weg noch durch Geröll und steigt dann von 700hm auf fast 1000hm an. Das Geröll weicht nun langsam aber sicher und trotz des Anstiegs habe ich auf einmal das Gefühl extrem schnell voran zu kommen. Dann ist schon der Scheitelpunkt erreicht und es geht in das kleine Guonjarvaggi Tal hinunter. Der Taleinschnitt schaut traumhaft aus. Ein Wildbach rauscht mittig hindurch und zu beiden Seiten wächst sattes grünes Gras. Ich steige ab ins Tal und quere den Bach. Um mich herum stehen ein paar Rentiere die sich nicht bei äsen stören lassen.

Am Ende des Tales steht die Kuonjarjoki wo ich den Tag beschliessen möchte. Es ist bereits nach 18 Uhr. Unterhalb der Hütte finde ich direkt am Bach einen schönen Lagerplatz und baue mein Zelt auf. Als es anfängt zu dämmern hole ich mir noch Holz aus dem Schuppen und bereite ein kleines Lagerfeuer vor. Darauf habe ich mich die ganze letzte Zeit schon gefreut und so sitze ich in der einsetzenden Dunkelheit vor meinem Zelt und geniesse den Abend am Feuer unter einem sternenklaren Herbsthimmel.

Am morgen liegen die Berge um mich herum in dichten Nebel. Das Zelt werde ich wohl klamm zusammen packen müssen. Da es ordentlich frisch ist entzünde ich nochmals mein Feuer vom Abend und frühstücke in aller Ruhe und wärme mich dabei etwas auf. Um acht Uhr habe ich alles zusammen gepackt und mache mich auf den Weg hinaus aus dem Tal.Schon ein paar Minuten später klart es vor mir auf und keine halbe Stunde später laufe ich durch den schönsten Herbstmorgen bei angenehmen Temperaturen und blauen Himmel. Hinter mir hängt der Nebel über dem Gebirge wie eine Käseglocke.

Zehn Kilometer stehen bis zur nächsten Hütte der Meekonjärvi an. Der Weg ist hier so gut zu laufen das die Kilometer bis zur Hütte nur so dahin fliegen. Ich blicke in ein großes offenes Tal mit dichten sich gelb färbenden Birkenwäldern und großen Seen hinab. WOW! Was für eine Traumlandschaft ist das gerade.

Im Tal an der verschlossenen Bezahhütte angekommen mache ich eine ausgedehnte Pause und komme mit zwei finnischen Mädels ins Gespräch. Die beiden sind wie eigentlich alle Finnen auf dem Weg zum Halti und staunen nicht schlecht als ich ihnen auf ihre Nachfrage mein Ziel nenne.

Nach der fast ein stündigen Pause geht es weiter durch das Tal. Der Weg ist nun durchsetzt mit Geröllfeldern durch die hier und da mal ein paar Planken gelegt sind. Aber die meiste Zeit heißt es nun über das Geröll balancieren. Sehr schnell verliere ich an diesem Teilstück den Spass, auch wenn es wieder einige fantastische Ausblicke gibt. Für die folgenden knapp vier Kilometer brauche ich fast zwei Stunden und mein gesamter Streckenfortschritt von heute morgen relativiert sich wieder. Na gut es ist gerade einmal früher Mittag und mein anvisiertes Tagesziel ist ja die Pitsusjärvi und die Hütte liegt nun auch nur noch etwa sieben Kilometer entfernt. Also eigentlich alles kein Problem. Aber das ganze Geröll nervt eben doch schon ziemlich.

Es geht über die Brücke am Vuomakasjärvi wo ich noch einmal eine kurze Pause einlege. So langsam gelange ich wieder über die Baumgrenze und hier wachsen nun wieder nur noch Zwergbirken die über den Boden kriechen.

Der Weg führt mich ein Stück entlang des Vuormajärvi und dann den Berg rauf zur Bicosjohka. Die beiden finnischen Mädels hatten mir erzählt das es hier einen fantastischen Wasserfall geben solle, auch in meiner Karte ist er eingezeichnet. Also halte ich mich etwas links am Abhang kann aber irgendwie nichts entdecken was wie ein Wasserfall ausschaut, nur eine Wildwasserstufe.

Ich stolpere weiter über das ganze Geröll voran und sehe vor mir nun den Pitsusjärvi. In der Ferne kann ich auch schon die Hütte ausmachen und mache wieder etwas Betrieb. Kann doch nicht sein das mich diese Landschaft so ausbremst.

Kurz vor der Hütte wird das Gelände dann auch besser und dort angekommen lasse ich mich nur noch auf die Terrassenstufen der Hütte sinken. Ich bin fix und fertig von dem Weg. Ich kram den Kocher raus und bereite mir erstmal ein Turmat zu und einen Kaffee. Dann strecke ich alle viere von mir und geniesse einfach nur dieses bombastische Herbstwetter.

Hier an der Hütte komme ich mit einem Mädel aus der Schweiz ins Gespräch die von Kautokaino nach Abisko wandert. Sie ist seit zwei Wochen unterwegs und schwärmt in den höchsten Tönen vom Reisadalen. Ich bin total gespannt was mich im Reisa erwartet. Ist es doch ein Meilenstein auf dieser Tour.

Um halb vier beschließe ich weiter zu laufen. Bis zur letzten Hütte auf finnischer Seite der Kopmajoki sind es noch gut 12 Kilometer und sollte ich es nicht mehr so weit schaffen wären unterwegs ein paar Zeltplätze versichert mir die Schweizerin. Also weiter gehts!

Der Weg zieht hinter der Hütte direkt bergan und ich arbeite mich entlang des Rassevaggi Tals den Berg hinauf. Die Landschaft hier ist staubtrocken und in den Flussbetten plätschern meist nur noch Rinnsaale. In der letzten Zeit dachte ich das Dividalen wäre trocken gewesen, aber Finnland übertrifft gerade alles. Hinzu kommt die Höhe von fast 1000 hm. In dieser Höhe wächst kaum noch etwas ausser ein paar Gräsern zwischen den Steinen. Und so hat diese Landschaft eher etwas von einem anderen Planeten, so wie man sich vielleicht den Mars vorstellt.

Dann komme ich auch schon zu den beiden Cahppesjävrrit Seen, die ich über eine schmale Landzunge passiere und folge dem Weg nun in das Goapmavarri Tal hinein. Der Weg schlängelt sich oberhalt der Goapmajohka durch entlose Geröllfelder. Von dem Weg hier hatte mir die Schweizerin berichtet. Der Weg soll laut ihrer Beschreibung nicht immer klar erkennbar sein, da die Pfosten mit den Markierungen dran ziemlich verblichen sein sollen. Tja was soll ich sagen, recht hat sie. Mehr als nur einmal bleibe ich stehen und suche den nächsten Holzpfahl nur um nach ein paar Minuten der Suche festzustellen das er entweder direkt vor mir oder neben mir ist. Das Gelände wird nun nach der hälfte der letzten Strecke auch besser zu laufen. Aber es wird auch Zeit das ich bald an der Hütte ankomme. Denn die Sonne steht schon sehr tief und wirft lange Schatten in die Landschaft.

Ich kann weit in die Landschaft schauen und irgendwo weit vor mir muss schon wieder Norwegen sein. Irgendwo dort vor mir muss das Reisadalen und das Nabar Plateau sein. Wie sehr ich mich doch auf diese Orte freue.

Nach zwei maliger Querung der Goapmajohka geht es dann langsam aber sicher abwärts und in der Ferne lässt sich bereits der Somasjärvi erkennen. Dort steht irgendwo die Kopmajoki Hütte.

Der Weg verläuft sanft bergab und um 19 Uhr stehe ich vor der Hütte. Am Wegweiser bei der Hütte steht noch vier Kilometer bis zur Somashytta. Ich werfe einen Blick in die kleine finnische Hütte hinein und entschließe mich dann doch noch die letzten Kilometer bis nach Norwegen in Angriff zu nehmen. Ich will es heute noch bis zur Somas schaffen und morgen könnte ich schon im Reisadalen auf der Nedrefosshytta sein. Ich kann es gar nicht fassen das ich so weit gekommen bin! Nie hätte ich gedacht das ich es so weit schaffen würde. Emotional bin ich schon seit geraumer Zeit etwas nah am Wasser gebaut und bei solchen Momenten rollen immer wieder Freudentränen und die Emotionen fahren Achterbahn.

Ich schließe die Tür der Hütte und mache mich auf den Weg und folge dem ausgetretenen Pfad durch die Landschaft durch ein Flussbett und über einen Rentierzaun hinweg.

Dann sehe ich in der Ferne den gelben Grenzkern der den Übergang nach Norwegen markiert. Am Kern angekommen mache ich noch ein Foto von mir und dem Steinhaufen und dann überschreite ich ein letztes mal die Landesgrenze. Nun geht es bis zum Nordkapp oder zum Slettnes nur noch durch Norwegen.

Aber ich muss mich jetzt auch wirklich langsam beeilen, denn es dämmert nun ordentlich und ich möchte nicht im dunkeln an der Hütte ankommen. Die Somas ist dann auch schnell erreicht.

Die Somsashytta ist eine offene Statskoghütte die für jeden zugänglich ist. Neben Wanderern nutzen auch Samis und Jäger diese Hütte in regelmässigen Abständen. Das merk man schon vor betreten der Hütte. Draussen liegen überall Knochen und Geweihreste herum und im Vorraum hängt der Geruch von geschlachteten Wild. Die Hütte ist recht spartanisch ausgestattet. Es gibt eine Sitzmöglichkeit, einen Ofen und Betten. Eine Kochgelegenheit ist nicht vorhanden. Mit etwas Glück ist auch etwas gespaltenes Holz da. Am Servicegebäude gibt es zwar einen Hackklotz und drinnen liegen ein paar Sägen um die Stämme draussen zu bearbeiten, nur taugen die Sägen nicht mehr wirklich viel und ich hatte einige Mühen um mit dem riesigen Spalthammer überhaupt etwas Holz klein zu bekommen.

Ich betrete die Hütte und schaue mich um. Wildgeruch hängt in der Luft und wirklich gemütlich schaut die Somas jetzt auch nicht aus. Zu letzt muss ne Gruppe Jäger hier gewesen sein und die waren was die Sauberkeit angeht wohl nicht besonders ziemperlich. Aber für die Nacht wird es gehen. Ich stelle den Rucksack in die Ecke greife mir einen der Wasserkanister vom Regal und gehe hinunter an den Fluss. Unterwegs schaue ich mich auch gleich noch etwas um wie ich morgen evtl laufen könnte. Hier gibt es eine Quadspur die auch auf der Karte eingezeichnet ist, aber der will ich morgen nach Möglichkeit nicht so weit folgen. Aber hier direkt unterhalb der Hütte ist der Fluss nicht passierbar, ausser ich möchte schwimmen. Dann schaue ich zurück zur Hütte. „Es ist ja schon fast dunkel“, murmel ich vor mich hin und schrecke fast wie aus einer Trance hoch. Ich gehe zurück zur Hütte stelle das Wasser ab und nehme meine Kopflampe um dann zum Servicegebäude zu gehen. Drinnen liegt kein Brennholz mehr. Nur aussen an der Hütte lehnen einige Stämme. Einen der kürzeren wuchte ich auf den Sägebock draussen und bearbeite ihn mit den Sägen aus dem Gebäude. Alle drei sind nicht mehr zu gebrauchen und verdrehen sich sofort beim sägen. Im letzten Licht und im Schein meiner Kopflampe beacker ich den Stamm mit dem riesigen Spalthammer der im Flur stand. Das Dingen ist so riesig und schwer das man ihn kaum richtig schwingen kann und er mir einmal komplett vom Klotz rutscht und er mir Haarscharf am Bein vorbei schwingt. Ich bekomme einen richtigen Schrecken und mir wird vor Schreck heiss und kalt! Das wäre es fast gewesen! Fast hätte ich mir die Schneide dieses Monstrums gegen das Schienbein gezimmert. Mir sitzt der Schreck tief im Nacken und nehme das bisschen Holz das ich klein bekommen habe mit zur Hütte und feuer den Ofen an. Es reicht um die Hütte einmal warm zu bekommen. Dann koche ich mir was zu essen und einen Tee. Während ich esse denke ich an das was gerade passiert ist. Hätte mich der Kopf des Spalthammers am Bein erwischt wäre es das gewesen. Wahrscheinlich hätte ich mir das Schienbein zertrümmert. Ich möchte gar nicht drüber nachdenken. Noch nie ist mir so etwas passiert. Das muss ich erstmal verdauen.

Moment mal, war da etwa gerade ein grüner Schimmer am Himmel? Ich sitze auf der Bank am Fenster und aus dem Augenwinkel habe ich doch was grünes flackern sehen. Ich stehe auf und gehe vor die Tür. Der Himmel ist Sternenklar und es wird gerade verdammt frisch. Ich schaue mich um sehe aber nichts ausser ein paar Sternen.

Und dann beginnt es wieder. Langsam baut sich in der Ferne in Richtung Reisadalen die Aurora auf. Wie weggeblasen ist der Gedanke an den beinahe Unfall von eben. Ich stürze rein und hole die Kamera und genieße das Schauspiel der Polarlichter über meinem Kopf.

Am nächsten Morgen werde ich von der Sonne geweckt die in den Raum scheint. Ich mache mir frühstück und packe dann zusammen und folge dann der Quadspur hinunter zum Fluss dem ich ein Stück folge. Dann finde ich auch schnell eine Furt an der ich queren kann. Das lief ja einfacher als geplant denke ich mir. Reisa ich komme! Ich kann meine Vorfreude kaum verbergen.

Ab nun geht es komplett weglos durch das Gelände und ich hoffe ja insgeheim das ich hier gut voran komme. Erst laufe ich noch etwas Planlos durch das Gelände mit dem GPS in der Hand, dann auf dem ersten Hügel mit Aussicht halte ich und krame Karte und Kompass hervor. In der Ferne sehe ich einen Kegelförmigen Berg aufragen. Das müsste der Jiertá direkt am Reisadalen sein und dort befindet sich mein geplanter Abstieg. Mein Kompass sagt mir Kurs 080°. Auf der Karte scheint der Kurs auch ok zu sein, also gebe ich Gas.

Ich steige oberhalb des Somájávri entlang eines Berges auf und folge wieder hinunter in ein Tal und entlang der nächsten Bergflanke rauf. Dann passiere ich den Hárvvesjávri oberhalb und mache auf einem Berg an einer Felsplattform Pause. Von hier habe ich gute Sicht hinüber auf das Gelände durch das es gleich geht. Dann geht es hinunter zur Hárvvesjohka wo ich mehrere kleine Bachläufe queren muss. Mehrmals muss ich meine Route leicht anpassen das Taleinschnitte das laufen erschweren, aber ich schaffe es ohne große Probleme zum Abstieg ins Tal der Gánesjohka. Hier geht es nun durch dichten Birkenwald und Geröllfelder bis an das Ufer des Flusses und nach langer Zeit heißt es mal wieder Schuhe ausziehen und furten.

Auf der anderen Seite mache ich nochmals Rast und döse in der Sonne vor mich hin. Ausser dem rauschen des Flusses und dem rascheln der Birkenblätter ist nichts zu hören und so bin ich für fast anderthalb Stunden weg. Vom dösen einigermassen erholt steige ich auf eine natürliche Terrasse hinauf und laufe auf zwei vor mir liegende Gipfel zu. Zwischen diesen Gipfeln angekommen sehe ich nun vor mir zu meiner rechten den Jiertá und direkt vor mir den Spanicohkka. Auf letzteren halte ich zur und steige in eine Senke ab. Um mich herum äsen Rentiere und ich tauche nach einiger Zeit in einen dichten Birkenwald ein. Es ist ein richtiger Urwald mit kleinen Tümpeln und umgestürzten Bäumen und das navigieren ist ein wenig mühselig.

 

Vor einem Hügel in diesem dichten Birkenwald bleibe ich stehen und versuche mich zu orientieren. Dabei wunder ich mich über den grauen Klotz der vor mir hinter den Birken steht. Mein Gehirn braucht ein paar Sekunden um zu realisieren was da steht. Erst denke ich das es ein ziemlich großes Rentier ist, dann sehe ich die beiden Schaufeln und mir wird schnell bewusst das es ein kapitaler Elchbulle ist der vor mir auf dem Hügel steht. Für den Bruchteil einer Sekunde will ich ein Foto machen, dann wird mir allerdings schnell klar das ich hier schleunigst verschwinden sollte. Denn mit Elchen ist nicht gut Kirschen essen und ich bin dem Kerl hier viel zu dicht auf den Leib gerückt. Keine drei Meter trennen uns voneinander und wenn der Bulle jetzt auf die Idee kommen würde anzugreifen würde ich den kürzeren ziehen.

Ich ziehe mich langsam rückwärts gehend zurück und rede dem Elch dabei leise gut zu. Jetzt blos keine hektische Bewegung und immer weiter. Ich gehe über einen kleinen Hügel rüber und auf einen kleinen See zu an dessen Ufer ich ja vielleicht weiter komme. An dem See angekommen sehe ich den Elch plötzlich nicht mehr. Scheiße wo ist das Tiert?! Ich schaue mich um und sehe weit hinter dem See im Wald den Elch gemütlich durch die Birken schreiten. Für einen Moment bleibe ich stehen und hole tief Luft. Was für ein Erlebnis das jetzt war. So nah war ich einem Elch noch nie und möchte es in freier Wildbahn auch nie wieder sein.

Es geht an die Umrundung des Spánicohkka. Den Berg habe ich etwa halb umrundet als ich auf einen Pfad treffe. Wahrscheinlich ein Rentierpfad. Dieser führt allerdings im schönen Bogen um den Rest des Berges und langsam abwärts. Bald sehe ich auch die Stromleitung die hier entlang des Reisadalen führt und den Punkt markiert wo bald der Taleinschnitt kommt und es ziemlich steil wird. Der Punkt der mich auf meiner Tour und schon bei der Planung am aller meisten beschäftigt hatte. Nun ging es stetig bergab und dann wurde es recht steil. Laut meiner Karte geht es hier nun hundert Höhenmeter steil abwärts bevor das Gelände wieder etwas flacher wird. Nun mal schauen wie gut meine Planung war. Schon auf dem ersten Meter rutsche ich auf dem Hintern abwärts weil ich im Hang das Gleichgewicht verliere. Ich lasse die Trekkingstöcke weg die mir gerade so gar nichts bringen  und gehe Seitwärts langsam abwärts. Dabei halte ich mich immer wieder so gut wie möglich an kleineren Bäumen und Ästen fest. So komme ich gut voran und nach einiger Zeit ebbt das Gelände ab und ich stehe unvermittelt auf einem Pfad. Ein Tierpfad ist das allerdings nicht. So gut ausgetreten wie der ist. Vielleicht ein unmarkierter Jägerpfad. Die Richtung in die er führt ist auf jeden Fall richtig und so folge ich ihm.

Der führt kontinuirlich bergab durch das Tal und plötzlich sehe ich eine kleine Hütte zu meiner rechten. Dahinter taucht noch eine größere auf und mir wird klar ich stehe vor der Nedrefosshytta. Unglaublich, ich habe es hinunter in das Reisadalen geschafft und das ohne Probleme! Mir fällt ein Stein vom Herzen.

Auf der großen Terrasse stelle ich den Rucksack ab und schließe die Hütte auf. Unter mir fließt die Reisaelva gemächlich dahin. Die Nedrefoss ist total gemütlich eingerichtet und man kann sich hier nur Sauwohl fühlen.

Ich richte mich häuslich ein, hole unten am Fluss Wasser und koche etwas zu essen. Danach geht es runter an den Fluss. Die Nedrefosshytta hat am Ufer eine Sauna stehen die gegen Gebühr genutzt werden kann. Die Sauna wird klassisch mit einem Holzofen betrieben der die Sauna in einer guten halben Stunde auf schwitz Temperatur bringt.

Während der Ofen in der Sauna bollert und aufheizt nutze ich die Zeit und nehme in der Reisaelva ein bad. Naja ich gehe langsam rein, tauche unter und springe nach Luft schnappend wieder raus. Verdammt ist das Wasser kalt. Die Sauna danach und die Abkühlung ist besser. So kann man dann später auch totmüde ins Bett fallen.

Früh am morgen werde ich mit dröhnenden Kopfschmerzen wach. Eine Schmerztablette hilft nicht, auch eine weitere etwas später zeigt keine Wirkung. So verbringe ich den halben Tag mit zugezogenen Vorhängen in der Stube auf dem Sofa. Erst zum Nachmittag wird es langsam besser und ich setze mich mit einem Kaffee auf die Terrasse. Der Tag ist wieder traumhaft und das Tal leuchtet in gelben Herbstfarben. Ich beschließe auch den morgigen Tag hier zu bleiben und auf Hansjörg zu warten der hier voraussichtlich morgen aufschlagen will und seine Norge på langs Tour von 2017 zu Ende bringen möchte.

Am späten Nachmittag tauchen noch zwei Schweden auf und am Abend gesellt sich noch ein Österreicher hinzu. Es wird ein recht geselliger Abend.

Die beiden Schweden machen sich am nächsten Tag wieder auf Achse nur der Österreicher bleibt noch und legt hier einen Ruhetag ein. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und die Zeit vergeht wie im Fluge. Am Nachmittag sitzt er gerade draussen und unterhält sich mit einem Wanderer der in die Hütte schaut und nur sagt „klar den kenn ich“. Ich steh auf und geh zur Türe. Ich muss zwei mal hinschauen um zu erkennen wer da bärtiges vor mir steht. Es ist Tobias der Ende Mai zusammen mit seinem Freund Rüdiger zu Norge på langs aufgebrochen ist. Das wir uns hier treffen hätten wir beide nicht zu träumen gedacht.

Tobias und ich beschließen morgen gemeinsam in Richtung Nabar aufzubrechen und „die große Unbekannte“ zu durchqueren. Über das Nabar Plateau gibt es schlichtweg so gut wie keine Infos. Die einzigen sind von Simon und Martin die 2013 und 2015 dort durch sind. Auf den Wegstrecken der beiden beruht auch fast meine komplette Planung zur Durchquerung.

Am nächsten Morgen geht es dann gegen halb acht mit Tobias los. Hansjörg ist am Abend nicht mehr aufgetaucht.

Wir laufen bei angenehmen Temperaturen und leicht bewölkten Himmel über die Hängebrücke der Reisaelva und legen sogleich eine kleine Kletterpartie ein. Der Weg geht über Geröll und dann entlang am Hang der mit einem Stahlkabel gesichert ist.

Nach gut zwei Kilometern gabelt sich der Weg. Rechts geht es zum Wasserfall Imofossen und links steigt der Weg an und führt zur Imojohka. Dort wollen wir den Aufstieg auf das Nabar Plateau wagen. Als die beiden Wege wieder aufeinander treffen schaut der Hang ganz gut aus. Hier wollen wir es versuchen und beginnen den Aufstieg durch Heidelbeer-, Krähenbeerensträuchern und natürlich Birkenwald. Zügig haben wir die ersten 200 hm durchstiegen und stehen nun hinter dem Gipfel des Imovárri und neben der Imojohka. Unter uns breitet sich das Reisadalen aus.

Wir überqueren die Imojohka und machen uns an den weiteren Aufstieg entlang des Duorsi. Fast 800 hm haben wir bereits hinter uns als wir in der Ferne eine Quadspur sehen können. Nach unseren Karten sind wir auf Kurs und das in einer echt guten Zeit. Einige Rentierzäune versperren uns hier den Weg und wir kletttern hier mehrmals über die Zäune hinweg. Hinzu kommt ein ewig langgezogenes Geröllfeld.

Am Bajit Oaggunjávri machen wir eine Pause und essen eine Kleinigkeit. Dann geht es weiter entlang des Mollejus und vorbei am Mollejusgobejávri. Wieder queren wir eine Quadspur. Weit vor uns ragt der Kegelförmige Gipfel des Rávdoaivi. Dorthin wollen wir es heute noch schaffen. Der Weg wird dann aber nochmal eine echte Qual. Ein Geröllfeld reiht sich an das nächste und am Abend finden wir dann unterhalb des Rávdoaivi einen brauchbaren Lagerplatz und stellen die Zelte auf. Es ist noch nicht einmal 20 Uhr als es in den Zelten ruhig wird.

Am Tag zwei im Nabar hängen die Wolken extrem tief wie wir aus den Zelten kriechen und ein kalter Wind weht. Wir packen zusammen und machen uns auf den Weg. Das Gelände ist uns die ersten Kilometer noch nicht so wohlgesonnen und bessert sich erst als wir den Suoikkátjávri und den Gálggojávri passieren und wir auf das Jálges Nabar aufsteigen. Die Gelände bessert sich schlagartig, nur die Sicht geht ziemlich in den Keller. Denn wir stehen nun mitten in den Wolken.

Irgenwan reissen die Wolken dann auf und wir sehen das gesamte Nabar vor uns liegen. War das Gelände gestern noch sehr bergig, sind wir nun wohl wirklich auf einem Plateau angekommen. Nur mit Karte und Kompass zu navigieren wird langsam schwierig, denn die meisten Seen liegen in Senken versteckt und so müssen wir für eine bessere Navigation immer wieder einen der vielen kleinen Hügel besteigen um eine bessere Sicht zu haben. So passiert es dann auch das wir beim Guhkes Hoallouoppal die Landbrücke verpassen und viel zu weit nördlich sind. Wir passieren den See am Nordende und halten auf den 724m hohen Hoallovarri zu der uns als Referenzpunkt dient. Dabei weichen wir immer wieder Sumpfwiesen aus die uns zu einer Kurskorrektur zwingen.

Als wir am Hoallojávri stehen studieren wir unsere Karten und sind echt verwundert wie weit wir heute schon gekommen sind. Fast 30 km haben wir nun schon hinter uns und in gut sechs Kilometer Luftlinie entfernt liegt der Stuora Cuorvunjávri von wo laut Karte eine Quadspur in das Eibydalen nach Alta fühen soll.

Dann nehmen wir die letzten Kilometer bis zur Quadspur in Angriff und mittlerweile merken wir in den Beinen wie weit wir gekommen sind. Es wird nämlich langsam echt mühselig weiter zu gehen. Dann passieren wir aber endlich den Stuora Cuorvunjávri und zu unserer linken am Ufer können wir Spur ausmachen. Ist das etwa die Quadspur? Wir laufen näher zum Ufer und da ist sie! Ab nun wird der Weg nach Alta um einiges einfacher. Wir rasten nochmals kurz und folgen dann der Spur und halten nach einem geeigneten Lagerplatz ausschau. Den finden wir auch nach ein paar Kilometern und bauen unsere Zelte auf. Für heute reicht es. 37 Km haben wir heute runtergespult. Wir können es selber noch gar nicht richtig fassen. Eigentlich waren für das Nabar vier Tage geplant. Jetzt können wir nach insgesamt drei Tagen schon in Alta sein. Wir können es kaum fassen. Auch das wir mit dem Wetter so ein Glück hatten. Heute war es zwar recht frisch und ein paar mal hat es etwas genieselt, aber das war es schon.

Am kommenden Tag machen wir uns früh auf. Es ist ziemlich kalt und so starten wir sogar mit Handschuhen. Etwa 15 km dieser Quadspur liegen nun vor uns. Das schlimme ist man kann die Spur fast die gesamte Zeit in der Landschaft vor sich sehen. Aber die Aussicht ist dafür fantastisch. Zwei Anstiege haben wir zu bewältigen bevor es in das Eibydalen hinunter geht und als wir die Kuppe des ersten Anstiegs erreichen bleiben wir stehen und schauen in die Ferne. Da hinten am Horizont können wir den Altafjord sehen. Unglaublich! Nach vier Monaten im Fjell sehen wir wieder Meer und wann wenn nicht jetzt wird mir entgültig bewusst das es vielleicht noch 10 Tage bis an das Ziel sind und diese Tour die so lange geplant wurde nun fast zu Ende ist.

Den Gedanken schiebe ich schnell wieder beiseite, denn noch bin ich nicht am Ziel und es hibt noch einiges zu laufen und so folge ich in etwas größeren Abstand Tobias der schon ein Stück vorgelaufen ist.

Dann führt die Piste stetig hinab ins Tal. Die Landschaft um uns herum wird wieder grüner und die ersten Birken zeigen sich. Dann geht es durch einen dichten Birkenwald und später stehen wir in einem Wald aus Fichten und Kiefern. Wir sind wohl im Tal angekommen. Kurz darauf erreichen wir auch die E45 die uns fast schnurgerade nach Alta führt. Den Verkehr finde ich hier nicht ohne und ständig rauschen Camper und Sattelzüge an uns vorbei. Wobei man an schon aus der Ferne den norwegischen LKW Fahrer von den ausländischen unterscheiden kann. Die Norweger, auch PKW Fahrer und Camper machen wenn möglich einen großen Bogen um die Fussgänger am Strassenrand oder werden schlicht und einfach langsamer. Wenn es gar nicht anders geht bleibt so ein LKW dann auch einfach auf der Fahrbahn stehen bis der Gegenverkehr durch ist. Ich bedanke mich dann jedesmal dafür. Aber gerade die ausländischen, besonders Osteuropäische LKW´s sind für mich der Horror. Die werden nicht langsamer und machen auch keinen Platz. Da wird stur drauf gehalten und so ist es auch heute wieder auf der E45. Ich bin froh das der Seitenstreifen breit genug ist.

Dann kommt endlich das Ortsschild nach Øvre Alta und kurz darauf kann ich dann auch den Campingplatz „Alta River Camping“ sehen auf dem wir uns zwei Ruhetage können wollen. Tobias hat bereits eine Hütte für uns gebucht als ich einlaufe.

Auf dem Camping warten noch zwei Pakete mit überschüssigen Lebensmitteln die ich mir von unterwegs hier her geschickt hatte.

Es ist gerade einmal 13.30 Uhr als wir unsere Hütte beziehen und wir beschließen noch mit dem Bus nach Alta rein zu fahren um einzukaufen. Im Zentrum des Städtchens machen wir ein Peppe´s Pizza aus und beschließen uns das Pizza Buffet zu gönnen das es täglich bis 17 Uhr gibt und stoßen mit einem Bier auf das erreichen Alta´s an. Nach der Pizzaschlacht geht es noch in den Rema zum einkaufen und dann zurück zum Camping. Schon unterwegs meldet mein Magen Protest an. Das Pizzabuffet war wohl zu viel und zu fettig, was sich die kommenden zwei Tage mit Magenproblemen und Durchfall zeigt. Tobias zieht nach dem zweiten Ruhetag dann Richtung Nordkapp weiter, während ich mir noch einen Tag gönne.

Am Mittag meldet sich Hansjörg, der gerade auf den Weg nach Alta ist und wir beschließen uns im Zentrum zu treffen wo ich dann gepflegt mit dem Leihfahrrad vom Campinplatz hin radel.

Es wird ein absolut gemütlicher Mittag bei guten essen und ein paar Bierchen. Danke hierfür Hansjörg!

Hansjörg macht sich am Nachmittag mit dem Bus weiter zum Kap und ich radel zurück zum Camping. Am Abend sortier ich meine Ausrüstung und packe soweit zusammen. Auch wandern nun die überschüssigen Lebensmittel in den Rucksack und ich kann ohne nochmals großartig einkaufen zu müssen meine Versorgung bis an das Nordkapp sicher stellen.

Am Abend telefoniere ich noch mit Nadine. Sie hat bereits ihren Flug nach Alta gebucht und kommt mich am 27.09 am Nordkapp einsammeln.

Ausserdem habe ich mich nun auch dazu entschieden nicht weiter die Planung nach Slettnes zu verfolgen. Zeitlich wäre es nicht mehr machbar und so wirklich Lust auf gut zehn Tage und 250km Strasse habe ich gerade auch nicht mehr. Lieber will ich noch ein paar Tage im Fjell verbringen und morgen über Kronstad ins Tverrelvdalen und dann in Richtung des E1 und dem Stabbursdalen Nationalpark aufbrechen.

 

 

 

Hinterlasse einen Kommentar